Rotsee
Forscher haben die Kieselalgen-Sedimente in der Holozänschicht untersucht und herausgefunden, dass der Rotsee 6000 Jahre vor Christus den Grenzwert vom Teich zum See überschritten hat. Vermutlich war er zwischeneiszeitlich auch ein Flusstal der Reuss, die sich aber schliesslich einen anderen Weg gesucht hat. Der Rotsee ist die Folge des Gletscherrückzugs am Ende der Eiszeit. Im Rotseetal blieb eine sogenannte Toteismasse liegen und ein Gletscherstausee entstand: Die Geburt des Rotsees.
Während der römischen Kolonialzeit soll der See noch einmal angewachsen sein. Als Siedlungsraum für die Römer scheint er aber keine Bedeutung gehabt zu haben. Auf jeden Fall gibt es keine Funde, die dies belegen würden. Dass die Bedeutung des Rotsees für die Menschen aber bald steigen sollte, zeigen die seit mehr 600 Jahren in Betrieb stehende Rotseefähre, die Besiedelung des Gebietes rund um den Rotsee mit Höfen oder die Nutzung des Sees als Fischgrund und Eislieferant.
Der Name Rotsee dürfte mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die Bezeichnung «Rat-Hausser-See» zurückgehen. Zumindest wird der Rotsee 1780 auf dem «Plan vom Bruch Thal Hoof» so bezeichnet (unten). Der Rotsee gehörte damals dem Kloster Rathausen.
«Plan vom Bruch Thal Hoof» 1780 (Bild: Quartierverein Maihof)
Der Rotsee als Eislieferant
Ab 1885 lieferte der Rotsee den Stadtbewohnern professionell gewonnenes Eis. Damals gefror der Rotsee fast jedes Jahr zu. Aus der Eisschicht wurden vom Ufer aus Blöcke herausgesägt und in isolierten Kellern im Maihofquartier eingelagert, wo sie bis im Herbst haltbar waren. Insbesondere für die Hotellerie und die Bierbrauer war das Eis von hohem Nutzen. Der Transport des Eises, die rund 40 Höhenmeter hoch ins Quartier, war mühsam und wurde anfänglich auf dem Rücken bewältigt. Später wurde das Eis mit einem dampfbetriebenen und noch später mit einem elektrischen Transportsystem befördert. Bis zu 80 Personen waren damals in der Eisgewinnung beschäftigt.
Mit dem Aufkommen von Kühlanlagen ab den 1910er Jahren wurde die Natureisgewinnung eingestellt.
Eisgewinnung am Rotsee um 1900 (Bild: Quartierverein Maihof)
Der Rotsee als Naherholungsgebiet
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts weitete sich das Luzerner Stadtgebiet aus. Quartiere ausserhalb der Stadtmauern entstanden. Erholung, Freizeit und Müssiggang gewannen zu dieser Zeit eine immer breitere gesellschaftliche Bedeutung. Damit wurde der Rotsee als Naherholungsgebiet zunehmend interessant.
Allerdings hatte die Ausweitung des Siedlungsraums zur Folge, dass der Rotsee durch Siedlungsabwasser und Mülldeponien zunehmend belastet wurde. Zudem hat der Rotsee keinen nennenswerten natürlichen Zufluss. Ein Zielkonflikt, der sich ab den 1920er Jahren zuspitzte. Das Ökosystem Rotsee war in dieser Zeit in einem desolaten Zustand.
Dieser Umstand war auch ausschlaggebend, dass 1929 die ‹Gesellschaft Pro Rotsee› als die Vorgängerin des Quartiervereins Maihof gegründet wurde. Sie verschrieb sich der Rettung und dem Schutz des Rotsees. Die Stadt Luzern trat der ‹Gesellschaft Pro Rotsee› den See schliesslich in Pacht ab - bis heute.
1922 und 1931 wurden Kläranlagen am Rotsee gebaut. Damals gehörten diese zu den ersten der Schweiz. Seit 1922 wird dem See zudem mit einem Kanal Wasser aus der Reuss zugeführt. Der Nutzen des Kanals war damals allerdings bescheiden, weil auch das Reusswasser verschmutzt war. Die Wasserqualität des Rotsees verbesserte sich erst spürbar, als ab 1974 das Siedlungsabwasser in die neue ARA Schiltwald geleitet wurde.
Rotsee Luzern 1959 (Foto: Hans Peter Jaeger, Bildrechte: AURA)
Renaturierung
Die auffälligste Entwicklung am Rotsee ist die in den letzten Jahren durchgeführte Renaturierung der Ufer, die heute von grossen Schilfbeständen geschützt werden. Das gesamte Rotseegebiet steht unter Naturschutz, die Nutzung ist nur eingeschränkt möglich.
Eingebettet in eine durch Moore und Feuchtgebiete gekennzeichnete Naturlandschaft ist der Rotsee geprägt von einer reichen Pflanzenwelt, zu der viele seltene und teilweise gefährdete Pflanzenarten gehören. Viele Vogelarten nutzen die geschützte Lage zum Brüten. Seit 2015 hinterlassen sogar wieder Biber ihre Spuren am Rotsee, rund 200 Jahre nach ihrem Verschwinden.
Frische Biberspuren 2020 (Foto: Quartierverein Maihof)
Für die Pflege dieses Gebietes ist neben der öffentlichen Hand insbesondere der Quartierverein Maihof mit der Rotseekommission (RoKo) zuständig. Unter der Leitung der RoKo leisten jedes Jahr unzählige freiwillige Helferinnen und Helfer Arbeitsstunden für die Pflege und die Reinigung der Ufer.
Fischen
Die Renaturierung zahlt sich auch für die Fischer aus. Denn um den Fischern einen Fang zu bieten, wurden bis in die 1970er Jahre rund zehn Tonnen Fische jährlich im Rotsee eingesetzt. Dieses Angebot wurde gut genutzt - pro Jahr wurden damals um die 900 Fischereipatente verkauft. Später sah sich der Quartierverein Maihof gezwungen, die Zahl der Patente zu limitieren. Um den Fischbestand auf natürliche Weise wieder anwachsen zu lassen, lancierte der Quartierverein während 15 Jahren eine Aktion der besonderen Art: Zwischen Weihnachten und Neujahr wurden an den westlichen und östlichen Seeenden unverkaufte Christbäume versenkt. Dies schuf zusätzliche Laichplätze. Heute vermehren sich die Fische im Rotsee dank der vielen Laichmöglichkeiten durch die Renaturierung wieder natürlich. Die Anzahl der Firschreipatente wurde zudem deutlich eingeschränkt.
Der Rotsee hat sich heute als Ökosystem regeneriert.
Handgranaten im Rotsee
1916 explodierte zwischen der heutigen Rotseebadi und dem Gymnasium St. Klemens am Rotsee ein Munitionsdepot der Armee. Tausende Handgranaten wurden in den See geschleudert. Fünf Personen kamen bei diesem Unglück ums Leben.
Die Handgranaten wurden in den 1970er Jahren von Hobbytauchern aufgespürt und von der Polizei geborgen. Bisher wurden rund 1000 Granaten gehoben. Doch noch immer werden Granaten im See vermutet. Die letzte aufwendige Bergungsaktion wurde 2020 von Polizei und Armee durchgeführt
Die Unfallstelle 1916 (Bild: Schweizerisches Bundesarchiv, E27#1000/721#16988*, Az. 08.C.1.b, Rotsee, 1916-1917)
Rudern auf dem Rotsee
Am 30. Juli 1933 erlebte der Rotsee mit der Ruder-Schweizermeisterschaft seine Feuertaufe als Regattastrecke. Ein Jahr später fand die erste Europameisterschaft statt. Die nachfolgenden Meisterschaften festigten den Ruf des Rotsees als faire Regattabahn bei den Rudernationen. Denn egal, auf welcher Bahn man auf dem Rotsee startet, die Bedingungen sind auf jeder Bahn dieselben. Die Ruderer wussten damals wie heute: Wer auf dem Rotsee gewinnt, ist wirklich der oder die Beste.
Auch an der ersten Ruder-Weltmeisterschaft 1962 waren die Sportler begeistert von der Fairness des ruhigen Rotseewassers. Aus diesen Tagen stammt die Bezeichnung «Göttersee». Sie stammt von einem Delegierten des japanischen Ruderverbandes.
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